von Günther Preuße
Laudatio
für
Ingeburg Schirrmacher
anlässlich ihrer Lesung im Rahmen der Jubiläumsveranstaltung des FDA am 18. August 2019 im Festsaal der Kavalierhäuser des Schlosses Königs Wusterhausen
„Wenn Leben sich in Literatur verwandelt“
von
Günther H. W. Preuße
Liebe Ingeburg Schirrmacher,
sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste…
Was glauben SIE? Wie entsteht Lyrik? Weltentrückt? Tagesverzückt?
Ein Hauch zarter Wärme um den Leib und lichte Wiesenblicke
vor den Augen eines inspiriert-umflorten Pegasus?
Mal ganz ehrlich:
Wann… oder – wie oft – lesen SIE Gedichte? Kaufen Sie sich
dann und wann einen Band Lyrik? Und reichen diesen nach
eigenem Lesen dann begeistert weiter? An Freunde oder in der Familie?
Weil die teilhaben sollen, an dem Gewinn… oder Genuss…
den Ihnen die Gedanken einer Dichterin oder eines Dichters
bereitet haben? …
Mit Werken der Prosa… Romanen, Erzählungen, Biografien,
Werken der Kriminalliteratur tut man das doch unumwunden…
Sucht darüber den Austausch im Nachhinein.
Aber mit Gedichten, publizierten Tagebuchaufzeichnungen
oder Briefen? Ist damit Staat zu machen?
In genau diesem Literarischen Genre aber schreibt die
Lyrikerin Ingeburg Schirrmacher!
Eines der Berliner Mädchen vom Jahre 1929… Sie gehört
heute zu jenen Frauen, die uns (mehr oder weniger Jüngeren)
vielleicht eine Ahnung von etwas geben, das verloren scheint.
Dennoch aber wert bleibt, danach zu suchen,
wiederzuerwecken… Tiefe, Vielfalt und Schönheit unserer Sprache…
Nach persönlicher Haltung und natürlicher Würde… Nach der
Tiefe und Kraft unserer Sinne… den Farben in unseren
Gedanken… Auch nach der Sinnhaftigkeit dessen, was andere
leichthin UTOPIEN nennen, in diesen Jahrzehnten der Vergeblichkeiten.
Ingeburg Schirrmacher – glaubt, dass Utopien so etwas sind,
wie der Puls der Menschheit; ein Vorwort, das wir den
Träumen von Zukunft mit auf den Weg geben...
Aus ihr heraus – verkörpert sich etwas von dem, was… uns, an
vom banalen Zeitgeist übertönten Tagen, vergangen scheint…
Um, so – wie sie – zu sein, bedarf es als Grundkapital einer
wohl lebenslangen Zerbrechlichkeit – ohne zu zerbrechen.
Im Lesen ihrer Gedichte, Texte, Gedanken… Im
Verinnerlichen ihrer Art, Erlebtem, nicht zuletzt manchem in
90 Jahren Erlittenem, einen lyrischen Widerschein jeweiligen
Dabei gewesen- oder auch schmerzhaftem Betroffen seins zu verleihen…
Solchen Weges setzt sie uns dazu imstande, unser seltsames
HEUTE differenzierter zu sehen und hier und da klüger zu
deuten… Wenn wir – die Parallelen erkennen.
Sie schreibt: „Ich kann nur über das berichten, was durch mich
hindurchgegangen ist – mich tief erfasst und berührt hat – als
Rausch der Sinne, als Trauma, als Erkenntnis; Ahnung, Angst
und immer wieder – ja, - auch Hoffnung.“
Gedichte sind kurze Fensterblicke in die Welt… In die
Vergangene, die Gegenwärtige und hinüber zur Künftigen, die,
die unsere kaum mehr sein wird.
All das ist zu finden – in bereits einigen frühen Publikationen,
wie in SINN und FORM oder NDL damals… Später dann in
der edition fischer… beim R. Fischer-Verlag, in Anthologien,
im Berliner Verlag edition Ost, im Verlag Märkische
LebensArt und anderen…
In zumeist kleinen Verlagen…
Bei denen aber (kleinauflagig) oft so viel mehr an guter
Literatur, Lyrik oder Prosa zu finden ist, als die großen
(marktwirtschaftlich- oder gar global playernden) Buchverlage
zu veröffentlichen interessiert sind.
Als Dichterin berühmt zu werden… oder überhaupt als
Autorin… ist vielleicht nach Jahren (und wenn alle
Konstellationen glückhaft stimmen) ein schönes Ergebnis
literarischen Schaffens. Die initiale Grundidee – ist es kaum…
War es für Ingeburg Schirrmacher – nie! Immer ein
nicht auszulöschendes Schreiben müssen. Vielleicht flankiert
irgendwann von der vagen Hoffnung, einmal auf etwas
Anerkennung zu stoßen… Nicht auf Ruhm… Aber - gelesen zu
werden… oder vorlesend – gehört, bedeutet Glück genug.
So fühlt die einstige Buchhändlerin, die bodenständige,
literaturbesessene Antiquarin, die leise, aber deutliche
Verfechterin und Pflegerin dessen, was deutsche Sprache in der
ihr innewohnenden Kultur sein kann.
Ingeburg Schirrmacher war anfänglich äußerst zögerlich,
jemandem Ergebnisse ihres Schreibens zu offenbaren…
Handelte es sich ja um Wort gewordenes Substrat des eigenen ICH …
Um ihre Weise von Lebensbewältigung… Reflexionen
bestimmter Jahre, Erfahrungen und Momente… Vom (wie
gesagt) Jahre 1929 herkommend! Vielleicht gar (ungerufene)
Wortmeldungen der… Seele…
Schreiben – um Wunden und Narben in heilende, klärende,
mahnende Zeilen zu wandeln…
Sehr geehrte Gäste,
der unter uns Schreibern immer noch hochverehrte Franz
Fühmann, war es, der ihr 1977 nach (wie er gestand) zunächst
vorsichtiger Lektüre einiger Gedichte u.a. schrieb: … Ich habe
Vergleichbares noch nicht in der Hand gehabt…
Und Fühmann mochte nicht darauf verzichten, seinem
bewundernden Votum für Ingeburg Schirrmachers Gedichte,
ganz eigennützig noch den Satz anzufügen: Darf ich sie behalten?
Gut, dass Franz Fühmann unsere Ingeburg Schirrmacher dazu
anstiftete, weiterzuschreiben… auch unter dem Druck mancher
kultur- und gesellschaftspolitischen Unpässlichkeiten damals…
Mit denen zu leben, auch dazu beitrug, sie zu einer sensiblen
Dichterin reifen zu lassen.
Liebe hier heute versammelten Autorinnen und Autoren vieler
literarischen Genres, sehr geehrte Ehrengäste, Gäste und
Freunde von Schriften und Sprache:
Die Schreibenden und die Lesenden werden immer einen Weg
zu einander suchen und finden. Zum Beispiel hier und heute, in
diesem schönen Saal. Es wäre wunderbar, würde Ingeburg
Schirrmacher dieser Tag hier in Königs Wusterhausen so
gefallen, wie uns die Wiederbegegnung mit ihr und ihrer Lyrik.
Liebe Ingeburg,
Du machst uns die Freude heute hier zu sein, um etwas aus
Deinem Lyrischen Schaffen zu lesen… vielleicht auch etwas zu
erzählen aus neun Dezennien Leben in dieser Welt…
Ich darf Dich jetzt bitten, noch einer kleinen Musik zu lauschen
und danach diesen Platz hier einzunehmen…Und dies ganz in
der Gewissheit einiger Zeilen aus einem Deiner Gedichte:
Zu später Stunde
Noch gerufen sein.
Noch einmal tanzen
Durch das ganze Alphabet
Das wäre jetzt unser Wunsch!